Hospizbewegung im Kreis Warendorf e. V. gibt Buch heraus: „Du tust mir gut“

Hospizbewegung im Kreis Warendorf e. V. gibt Buch heraus:  „Du tust mir gut“
Warendorf

Kreis Warendorf – Die Hospizbewegung im Kreis Warendorf e. V. hat ein Buch herausgegeben mit dem Titel „Du tust mir gut“. Als Bürgerbewegung stellt sie die Idee der Gegenseitigkeit – Begleiter und sterbende Menschen tun einander gut – in den Vordergrund. Ursprünglich wollte der Verein zu seinem 25-jährigen Bestehen die eigene Geschichte intern festhalten. Doch dann kam es anders.

Mehr als 20 Interviews mit Sterbe- und Trauerbegleitern aus allen Hospizgruppen – Ahlen, Beckum, Drensteinfurt, Ennigerloh, Everswinkel, Lippetal, Oelde, Sendenhorst-Hoetmar, Telgte, Wadersloh und Warendorf – waren derart intensiv, dass nun, vier Jahre später, ein Buch daraus entstanden ist, mit noch mehr Interviews und noch mehr Hintergrund. Der Untertitel „Wertvoller Unterricht an den Sterbebetten – Positionen einer Hospizbewegung“ verrät, dass der Leser etwas lernen kann: über sich und über die Hospizbewegung vor Ort.

Der ehrenamtliche Vorsitzende Norbert Westerhoff (pensionierter Schulleiter aus Beckum, Jahrgang 1948) und seine Stellvertreterin Anne Maasch (Diplom-Verwaltungswirtin aus Drensteinfurt-Rinkerode, Jahrgang 1970) erläutern im Interview die Bedeutung des Projekts, wie das Buch zum tieferen Nachdenken über Leben und Tod anregt, warum Hospizarbeit gelassener macht und wie der Besuch im stationären Hospiz Ehrenamtliche verwandelt.

Das Buch ist im Anno-Verlag in Ahlen erschienen und ab sofort in jeder Buchhandlung erhältlich (ISBN 978-3-949145-08-7, 15 Euro). Autorin ist Conny Kingma (Redakteurin und Fotografin aus Oelde, Jahrgang 1979).

Wenn man sich mit der Endlichkeit des Lebens beschäftigt,
gewinnt das Leben an Lebendigkeit“

Herr Westerhoff, welche Bedeutung hat das Buchprojekt für Sie als ehrenamtlicher Vorstand der Hospizbewegung im Kreis Warendorf?

Norbert Westerhoff: Es hat eine große Bedeutung. Die Hospizbewegung stellt sich mit dem Buch erstmals seit ihrem fast 30-jährigen Bestehen in einer umfangreichen und geschlossenen Form dar. Sie gibt Einblick in ihr Innenleben und ihre Geschichte. Sie legt die Positionen dar, von denen aus sie arbeitet. Die Leser erfahren auch, dass sich die Hospizbewegung nicht auf das stationäre Hospiz beschränkt, sondern dass sie ambulante Arbeit sowie Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit einschließt. Ich bin der Meinung, dass unsere Hospizbewegung im Kreis Warendorf als Bürgerbewegung ein besonderer Verein ist. Deshalb halte ich das Buchprojekt für sehr interessant und wichtig. Viele Passagen, in denen ehrenamtliche Mitglieder ihre Erfahrungen und Meinungen zum Sterben und Tod darstellen, können Anstoß zum eigenen Nachdenken darüber geben.

Was können die Leser aus dem Buch „Du tust mir gut“ persönlich für sich mitnehmen?

Norbert Westerhoff: Das hängt von jedem einzelnen ab, wie sehr er sich darauf einlässt. Man muss das Buch nicht von vorne nach hinten lesen. Man kann blättern und hängenbleiben bei dem, was für einen selbst Resonanz hat. Die Menschen können sich durch das Buch inspirieren lassen, über Dinge rund um die Themen Sterben, Tod und Trauer – somit auch über das Leben – tiefer nachzudenken. Sie werden sicher an bestimmten Stellen berührt davon sein, was Sterbe- und Trauerbegleiter in Interviews gesagt haben.

Sollten sich auch junge Menschen mit dem Hospizgedanken beschäftigen?

Anne Maasch: Ja, unbedingt. Es ist wichtig, sich in jeder Lebensphase mit der Endlichkeit zu beschäftigen. Ich habe zwei Söhne im Alter von 18 und 16 Jahren und weiß, dass in dieser Lebensphase andere Dinge wichtig sind. Aber meiner Meinung nach ist es hilfreich, sich – egal in welchem Alter – mit der Endlichkeit des Lebens zu beschäftigen. Dadurch gewinnt das Leben an Lebendigkeit. Wenn man sich bewusst macht, dass man nächstes Jahr vielleicht nicht erleben könnte, dann wird das, was jetzt da ist, wichtiger. Das gilt in jedem Lebensalter.

Ich kann andere Auffassungen nun so stehen lassen“

Die Sterbe- und Trauerbegleiter erzählen in den Interviews auch, wie sie zur Hospizbewegung gefunden haben. Daran wird deutlich, dass es Menschen aus unserer Mitte sind. Jeder hat seine eigene Geschichte. Welche ist Ihre, Frau Maasch?

Anne Maasch: Wir haben in der Familie selbst die wertvolle Unterstützung von ehrenamtlichen Sterbebegleitern der Hospizbewegung erfahren. Das hat mich nie losgelassen. So habe ich mir zehn Jahre danach, das war 2017, endlich ein Herz gefasst und die Vorbereitungskurse zur Sterbebegleitung besucht. Ich war sofort total begeistert. Man beschäftigt sich mit eigenen Lebensfragen, etwa warum man manche Dinge tut. Mir wurde unter anderem klar, dass ich vieles mache, um anderen zu gefallen. Das hat mich richtig erschreckt. Durch verschiedene Impulse in den Kursen habe ich mich meinen Lebensfragen gestellt. Inzwischen brenne ich so für den Hospizgedanken, weil er mich in meinen inneren Werten berührt. Ich habe das Gefühl, mich mit jeder Sterbebegleitung, jeder Tätigkeit – mittlerweile auch im Vorstand und als eine von zwei Leitungen in den Vorbereitungskursen – weiterzuentwickeln. Ich werde immer mehr zu der, die ich sein will. Ich erlebe die Arbeit in der Hospizbewegung als Chance, meine Persönlichkeit zu erkennen und weiterzuentwickeln.

Was bedeutet Ihnen die Arbeit in der Hospizbewegung, Herr Westerhoff?

Norbert Westerhoff: Ich bin überzeugt, dass ich mit meiner Arbeit in der Hospizbewegung etwas Sinnstiftendes tue. Die Arbeit macht mir Freude. Nachdem ich sieben Jahre auf verschiedenen Feldern der Hospizbewegung mitgearbeitet hatte, bin ich 2021 gefragt worden, ob ich bereit sei, für den Vorsitz zu kandidieren. In meinem fortgeschrittenen Alter von 73 Jahren finde ich es schön, dass meine Erfahrungen gerade im zwischenmenschlichen Bereich geschätzt werden. Im technischen Bereich sind wir Älteren ja nicht so spitze. Es sagt mir sehr zu, wie die Hospizbewegung ausgerichtet ist. Ich möchte mich dafür einsetzen, dass unser Ansatz der radikalen Orientierung an der Selbstbestimmung des Menschen bis zum Lebensende erhalten und weiterentwickelt wird. Meine nunmehr achtjährige Mitarbeit in der Hospizbewegung hat auch in mir etwas verändert. Ich bin durch die ehrenamtliche Arbeit gelassener geworden. Diese Orientierung an der Selbstbestimmung der Menschen, dass man sie so sein lässt, wie sie sind, lebe ich nicht nur in der Hospizbewegung. Das kann auch hilfreich im Zusammenleben mit Familienmitgliedern und Freunden sein. Ich kann andere Auffassungen nun besser stehen lassen und akzeptieren, wo ich sonst dachte, die Menschen sollten vielleicht anders sein.

Im stationären Hospiz ist die Hektik von draußen nicht mehr wichtig

In dem Buch „Du tust mir gut“ kommt auch das Projekt „Bewohnen auf Zeit“ vor, im Rahmen dessen ehrenamtliche Sterbebegleiter für ein paar Stunden ins stationäre Hospiz in Ahlen kommen und dort für die Gäste gesprächsbereit sind. Frau Maasch, Sie selbst gehören auch zu diesen Ehrenamtlichen. Was bedeuten Ihnen diese Besuche?

Anne Maasch: Ich bin ja noch berufstätig und habe Familie. Da ist es oft hektisch, bevor ich ankomme. Aber wenn ich erst einmal im Hospiz bin komme ich schnell zur Ruhe. Das Gebäude und die Menschen, die mir dort begegnen, üben eine Faszination auf mich aus. Obwohl der Tod da gegenwärtig ist, strahlt das Hospiz Ruhe aus. Die Hektik von draußen ist nicht mehr wichtig. Ich begebe mich in eine Beziehung mit Menschen, die bald sterben. Was kann schlimmer sein, als kurz vor dem Tod zu stehen? Durch diese besondere Atmosphäre gehe ich da verwandelt heraus. Deshalb zieht es mich auch immer wieder dorthin. Ich erlebe die Umwelt nach meinem Besuch intensiver. Es kann aber auch vorkommen, dass ich manchmal zwei oder drei Stunden im Hospiz sitze und keiner das Gespräch mit mir sucht. Aber auch dann ist es für mich wertvoll verbrachte Zeit.

Die Hospizbewegung ist in ihrer Form als Bürgerbewegung besonders. Bitte erläutern Sie doch einmal, was genau eine Bürgerbewegung ausmacht.

Norbert Westerhoff: Die Hospizbewegung ist von Bürgern initiiert worden und wird auch von Bürgern ehrenamtlich getragen. Sie erfährt gleichzeitig eine breite Unterstützung in der Bevölkerung. Die Hospizbewegung war ursprünglich eine Protestbewegung, die sich gegen den Umgang der modernen Gesellschaft mit Sterben und Tod gewandt hat. Inzwischen ist sie in der Mitte der Gesellschaft angekommen, verhält sich aber immer noch kritisch gegenüber bestimmten gesellschaftlichen Entwicklungen. Ich betrachte es als Privileg, dass wir keinem der großen Wohlfahrtsverbände angehören, sondern relativ unabhängig sind, abgesehen davon, dass wir uns selbstverständlich in einem gesetzlichen Rahmen bewegen. Die Entscheidungen fallen im Vorstand und in der Mitgliederversammlung, nicht irgendwo anders an „höherer Stelle“.

Was gefällt Ihnen so gut an dem Hospizgedanken, wie er von Ihrem Verein als Bürgerbewegung gelebt wird?

Anne Maasch: Wenn ich den Hospizgedanken lebe, erkenne ich, dass der sterbende Mensch und ich als ehrenamtliche Begleiterin im selben Boot sitzen und dass der einzige Unterschied darin besteht, dass der sterbende Mensch voraussichtlich eher aussteigt als ich. Den Hospizgedanken zu leben, heißt nicht nur, einem sterbenden Menschen hilfreich beistehen zu wollen, sondern auch, sich selbst den Zahn der vermeintlichen eigenen Unsterblichkeit ziehen zu lassen. So stelle ich mich meiner eigenen Sterblichkeit und lebe mein Leben stärker in dem Bewusstsein, dass es endlich ist. Dadurch entstehen bei mir Dankbarkeit und Klarheit für das, was mir persönlich wichtig ist. So erklärt sich dann auch die Doppeldeutigkeit des Buchtitels „Du tust mir gut.“ Das Buch macht außerdem deutlich, dass der Hospizgedanke in unserer Bürgerbewegung durch eine große Gemeinschaft Ehrenamtlicher gelebt wird. Bei uns sind Männer, Frauen, Berufstätige und nicht mehr beruflich Tätige sowie Menschen mit unterschiedlichen Begabungen, Charakteren und Interessen aktiv. Dadurch bilden wir einen guten Querschnitt unserer Gesellschaft ab und schaffen gleichzeitig eine große Lebendigkeit und Leichtigkeit für die gesellschaftliche Aufgabe, der wir uns stellen. Das hat mir von Anfang an gut gefallen.

Hintergrund

Die 1993 gegründete Hospizbewegung im Kreis Warendorf e. V. ist ein gemeinnütziger Verein mit mehr als 1100 Mitgliedern, von denen rund 300 in den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern ehrenamtlich aktiv sind. Unter dem Dach des Vereins haben sich von Ahlen ausgehend in Beckum, Drensteinfurt, Ennigerloh, Everswinkel, Lippetal, Oelde, Sendenhorst-Hoetmar, Telgte und Wadersloh regionale Hospizgruppen gebildet.

2020 entstand durch die Verschmelzung mit dem Hospizverein Warendorf e. V., der sich auch für Beelen und Sassenberg verantwortlich zeigte, die Hospizgruppe Warendorf.

Einen offenen Umgang mit schwerer Krankheit, Sterben, Tod und Trauer zu leben und Menschen dabei in ihrem häuslichen Umfeld oder in Einrichtungen ehrenamtlich zu begleiten, ist das Hauptanliegen der Bewegung. 2001 hat der Verein sein Angebot durch die Eröffnung des stationären Hospizes in Ahlen ergänzt. Im Hospizzentrum in Ahlen sind ambulante und stationäre Hospizarbeit unter einem Dach vereint.

Weitere Informationen zur Hospizbewegung gibt es unter www.hospizbewegung-waf.com.