Brücken bauen für Gewaltbetroffene

Brücken bauen für Gewaltbetroffene
Ahlen Kreis Warendorf

Caritasverbände im Kreis Warendorf arbeiten zusammen, um Gewalt zu verhindern und Betroffene zu stärken / Neuer Vorstand der Caritas im Bistum Münster macht Station auf Bistums-Tour im Kreis Warendorf

Ahlen / Hamm / Warendorf / Münster (cpm). Christa Kortenbrede und ihr Team haben die aufgedeckten Fälle sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren, die für Erschrecken gesorgt haben, nicht überrascht. Sie wissen, dass Gewalt an Kindern und Jugendlichen existiert, denn sie und ihr Team arbeiten täglich daran, Betroffenen zu helfen und Eltern oder Erzieherinnen und Erzieher für sexuelle Gewalt zu sensibilisieren. „Was da sichtbar wurde, war nur die Spitze des Eisberges“, sagte die Leiterin der FachstelleSchutz, die beim Caritasverband Ahlen, Drensteinfurt und Sendenhorst angesiedelt und im gesamten Kreis Warendorf tätig ist, im Gespräch mit dem neuen Vorstand der Caritas im Bistum Münster am 3. November 2022.

Seit knapp 20 Jahren hat die FachstelleSchutz der Caritas ein offenes Ohr für Betroffene von sexueller Gewalt. Dabei sei es wichtig, ganz auf ihrer Seite zu stehen, sagte Kortenbrede. Meist handle es sich um Beziehungstaten mit Tätern, die den Opfern gut bekannt waren, was den Konflikt verschärfe: „Betroffene Kinder und Jugendliche sind oft verstrickt in Gefühlen von Schuld und Scham und gleichzeitig Loyalität und Bindung“. Christa Kortenbrede und ihre drei Kolleginnen und Kollegen sind in der Region gut vernetzt, hören zu und vermitteln die passenden Hilfen.

Daneben sensibilisiert die FachstelleSchutz auch Eltern oder Erzieherinnen und Erzieher dafür, sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen zu erkennen, ihr vorzubeugen oder richtig zu reagieren, wenn sich ein Kind anvertraut. Viele Betroffene müssten sich mehrfach einem Erwachsenen öffnen, bevor ihr Leid ernstgenommen würde, sagte die Sozialpädagogin. Die Angst vor dem Thema und Tabuisierung erschwerten es, offen über übergriffiges Verhalten zu sprechen. Gewalt sei ein schambesetztes Thema: „Wir sind ständig dabei, Brücken zu bauen, über die Kinder und Jugendliche gehen können“, diese sollen es leichter machen, über das Erlebte zu sprechen.

Die FachstelleSchutz hat seit einigen Jahren außerdem ein besonderes Beratungsangebot: GrenzBewusst. Hier berät Thorn Leonhardt Jugendliche, die sexuelle Übergriffe begangen haben. „Es geht uns darum, frühzeitig der Entwicklung von sexuell übergriffigem Verhalten entgegenzuwirken“, erklärt der GrenzBewusst-Mitarbeiter.

Seit 2017 sind die Anfragen in der FachstelleSchutz jährlich um 30 Prozent gestiegen. Trägerübergreifend ist auch das Netzwerk im Kreis Warendorf gewachsen. Der Caritasverband Leben verbindet.

Der Caritasverband im Kreisdekanat Warendorf und der Caritasverband Ahlen, Drensteinfurt und Sendenhorst setzen sich gemeinsam mit dem Kinderschutzbund für den Schutz vor sexualisierter Gewalt ein, unterstützt durch die Jugendämter im Kreis Warendorf. Christa Kortenbrede hofft, dass die Angst, über sexuelle Gewalt zu sprechen, abnimmt und sieht in der Enttabuisierung auch für Betroffene eine Chance: „Es hat Aussicht auf eine bessere Verarbeitung, wenn innerlich klar wird, was mir passiert ist, war unrecht – statt zu denken, es liegt an mir“.

In den eigenen Reihen leisten die Einrichtungen der Caritas im Bistum Münster bereits einen wichtigen Teil zur Enttabuisierung durch die Einführung Institutioneller Schutzkonzepte. „Wir wollen eine Kultur der Achtsamkeit, die sensibel ist für grenzüberschreitendes Verhalten – insbesondere Schutzbefohlenen gegenüber“, sagte die Vorsitzende der Caritas im Bistum Münster Pia Stapel.

Neben der FachstelleSchutz setzen sich unter anderem auch der Katholische Sozialdienst (KSD) in Hamm und der Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) in Warendorf für Gewaltprävention ein. Mit dem Programm „Echte Männer reden“ bieten sie ein Beratungsangebot für Männer, die gewalttätig geworden sind, Angst haben, es werden zu können oder sich in einer Krise befinden.

Pia Stapel, Vorsitzende der Caritas im Bistum Münster, und Dominique Hopfenzitz bilden seit August dieses Jahres gemeinsam mit Pfarrer Dr. Christian Schmitt den Vorstand der Caritas im Bistum Münster. Auf einer mehrtägigen Tour durch das Bistum Münster besuchen sie Caritasverbände und Einrichtungen, um die Caritasarbeit vor Ort zu erleben und mit Akteuren ins Gespräch zu kommen.

Die Caritas im Bistum Münster ist für Menschen in Notsituationen da. Ob Jung oder Alt, Alleinstehend oder Großfamilie, mit Behinderung oder Migrationshintergrund, körperlicher oder psychischer Erkrankung. Unter dem Motto „Not sehen und handeln“ sind 80.000 hauptamtliche Mitarbeitende und 30.000 Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz. Für die Hilfe vor Ort sorgen 25 örtliche Caritasverbände, 18 Fachverbände des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und 3 des SKM – Sozialdienst katholischer Männer. Hinzu kommen unter anderem 68 Kliniken, rund 150 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 232 Altenheime und 18 stationäre Einrichtungen der Erziehungshilfe

Zusammen stark gegen Gewalt. Im Kreis Warendorf fanden Akteure der Caritas vor Ort und der neue Vorstand der Caritas im Bistum Münster zusammen. Eine verbindende Aufgabe ist der Einsatz für Gewaltbetroffene und die Prävention von Gewalt. Wichtige Anlaufstelle hierfür ist die FachstelleSchutz, an der Christa Kortenbrede (1. Reihe rechts) und Thorn Leonhardt (1. Reihe links) mitarbeiten. Foto: Sven Mörth / Caritas im Bistum Münster

Caritas-Mitarbeiterin Christa Kortenbrede und ihr Team bauen in der Beratung der FachstelleSchutz im Kreis Warendorf Brücken für Menschen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, hören zu und vermitteln passende Hilfen. Foto: Sven Mörth / Caritas im Bistum Münster